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Modest Mussorgsky - Bilder einer Ausstellung
von Reimar Walthert

Modest Petrowitsch Mussorgsky - Musik

 
Wie schon gesagt war Mussorgsky Zeit seines Lebens auf der Suche nach einer neuen, nationalrussischen Musik. Die Ergebnisse dieser Suche äussern sich nicht zuletzt auch im hier vorliegenden Beispiel, in den Bilder einer Ausstellung des Komponisten.
Das Promenadenthema widerspiegelt in vielen Teilen Besonderheiten der russischen Sprache. Besonders auffallend sind die im Thema häufig vorkommenden Intervalle wie Terz und Quarte, welche beide Merkmale der russischen Sprachmelodik sind. Weitere Eigenheiten sind die zahlreichen Taktwechsel und der Wechsel zwischen den unregelmässigen Akzenten und den fliessenden Achtelübergängen dazwischen. Die zum Teil mit pentatonischen Elementen ausgestattete Melodie suggeriert darüber hinaus eine Loslösung vom westlichen Dur-Moll Schema. 
Weiter findet man Bezüge zur russischen Volksmusik, zum Beispiel in der Bevorzugung der Nebenharmonien und dem Wechsel zwischen Unisono und Mehrstimmigkeit. Das letztere ist typisch für einen Stil in der russischen Volksmusik, in dem eine Hauptmelodie im Wechsel zwischen Vorsänger und Chor von improvisierenden Stimmen heterophon umspielt wird. 
Ebenso erinnert das Fehlen eigentlicher Strophen an russische Volkslieder, deren Texte reimlos und von Wiederholungen geprägt sind. Auf bestimmte Themen folgen Umkehrungen, Weiterführungen und Wiederholungen. 
Sehr schön kommt dieser Wesenszug in Il vecchio castello zum Ausdruck, wo das Thema genau auf diese Weise behandelt wird. Darüber hinaus fällt das ständig vorhandene Gis im Bass auf. Es erinnert an ein volkstümliches Instrument mit Bordunsaite. Bekannte Instrumente die diese sehr einfache Art von Mehrstimmigkeit verwenden sind heute zum Beispiel noch die Drehleier und der Dudelsack.
Auch in den anderen Werken des Komponisten finden sich dieselben Bezüge. Besonders erwähnenswert dürften in diesem Zusammenhang wohl die Oper Boris Godunow, die Klavierstücke der Kinderstube und die sinfonische Dichtung Johannisnacht auf dem Kahlen Berge sein. Daneben war Mussorgsky aber auch beständig auf der Suche nach neuen, noch komplexeren musikalischen Ausdrucksweisen.
Zahlreiche von diesen musikalischen Experimenten liess der Komponist unvollendet, wie zum Beispiel die Oper die Heirat, in welcher er versuchte, den ganzen Text in der begleitenden Musik zu repräsentieren. Als er unter seinen Freunden Stellen daraus zum Besten gab, erntete er vorwiegend Spott und Unverständnis. Auf der anderen Seite wird aber auch von Dargomischsky berichtet, der sich dabei hervorragend amüsiert haben soll. 
Unbeirrt davon versuchte er dasselbe, wenn auch in viel geringerem Ausmass, in seiner zweiten Gogol Oper Der Jahrmarkt von Sorotschinzy aufs Neue. Bis ins kleinste Detail versuchte er, die kleinrussische Sprache darzustellen. Zweifel, ob ihm dies auch wirklich gelang, liessen ihn im April 1875 dieses Projekt vorerst zu Gunsten von Chowanschtschina beiseite legen. 


 

 

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